Gedanken zur Feier der Osternacht
"...und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging …“
Zugegeben – eine ungewöhnliche Zeit für einen Gottesdienstbesuch: 6.00 Uhr!
Da ist es ja noch dunkel draußen! – eben!
Ungewöhnliche Ereignisse haben ihre ungewöhnlichen Zeiten. Und Ostern als das Fest der Auferstehung zum Leben ist ein ungewöhnliches Ereignis; auch wenn es jedes Jahr wieder kommt; ein Ereignis außerhalb unserer normalen Erfahrung von Raum und Zeit.
Und das war es schon von Anfang an: Die Osternacht ist das älteste Fest der Christenheit, schon gefeiert, als das Christentum noch geächtete Minderheitenreligion war, verfolgte Untergrundkirche in den Katakomben des Römischen Reiches; also noch keine staatstragende Macht.
Da brannten – unterirdisch – also die ersten Osterkerzen der Kirchengeschichte.
Im Laufe der Jahrhunderte wurde die Osternacht dann liturgisch immer mehr angereichert, geradezu überladen – so wenigstens die Kritik der reformatorischen Kirchenväter am allgemein geübten Brauch. Und so verschwand die Osternacht allmählich ganz – zumindest aus protestantischem Bewusstsein. Man brauchte sie nicht – oder vielleicht doch?
Auf den Gedanken, dass da einem allzu nüchtern zugeschnittenen, wortgläubigem evangelischen Bekenntnis ein ganz wesentliches, weil eben mit allen Sinnen zu feierndes Element fehlte, kam dann erst wieder die liturgische Reformbewegung in der evangelischen Kirche zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Michaelsbruderschaft und Berneuchner Dienst, in der württembergischen Landeskirche sesshaft geworden (bis heute!) im Kloster Kirchberg, hoch über dem oberen Neckar zwischen Horb und Sulz gelegen.
Was waren nun die klassischen Elemente der Osternacht? Sie kommen ja auch in unserer Altenrieter überarbeiteten Form der Osternacht wieder.
So sind bei uns die ursprünglich 12 alttestamentlichen Lesungen der Alten Kirche gekürzt und um die neutestamentliche Lesung des Taufkapitels aus Röm 6 ergänzt. Die Schöpfungserzählung aus Gen 1 ist geblieben, ebenso die Erinnerung an die Sinflutgeschichte Gen 6-8, sowie die prophetische Vision von den wiederbelebten Totengebeinen aus Ez 36.
Das Hereintragen der Osterkerze in die dunkle Kirche, verbunden mit dem drei Mal wiederholten Ruf „Christus, das Licht der Welt“ und der gesungenen Antwort „Dank sei Gott“, sowie das Entzünden der kleinen Osterkerzen ist das zentrale Feiermoment: Das Licht der Auferstehung durchbricht die Dunkelheiten unserer Welt, es breitet sich aus in der Kirche, und über die Kirche hinaus in alle Welt.
Taufgedächtnis und, wenn irgend möglich, auch die Feier einer Taufe ist ein weiteres wesentliches Element der Osternacht: „… oder wisst ihr nicht, dass alle, die auf Christus Jesus getauft sind, die sind auf seinen Tod getauft? … damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten … auch wir in einem neuen Leben wandeln.“ – so die Tauftheologie des Apostels im zentralen 6. Kapitel des Römerbriefes.
Auch die Feier des anderen Sakraments, nämlich des Abendmahls ist und war schon immer Kernbestand einer Osternacht. Dabei fließen verschiedene Bedeutungen des christlichen Abendmahls ineinander: Die Erinnerung an das jüdische Passahmahl als eines Festmahles in Erinnerung an die Befreiung aus der Sklaverei, und zugleich auch die Erinnerung an Christus als des Passahlammes ein für alle Mal; Bestätigung der Gemeinschaft, v.a. mit denen, die in der Osternacht als Neugetaufte zur Gemeinde dazu gekommen sind; Stärkung und Wegzehrung auf dem Weg in ein neues Leben; Vorgeschmack auf das Festmahl im Reich Gottes.
Schließlich kommt als vierter Bestandteil die, vorgeschaltete Lichtfeier dazu, die im Laufe der Zeit immer reicher ausgestaltet wurde. Das Licht des ersten Schöpfungstages (… und Gott sprach: es werde Licht! Und es ward Licht …), und das auf Christus gedeutete Licht der Auferstehung zu neuem Leben aus der Finsternis der Gottesferne und aus dem Tod heraus.
Liturgische Mitte der Osternacht ist die Lesung des Osterevangeliums, die von der versammelten Gemeinde mit dem Osterchoral „Christ ist erstanden“ beantwortet wird. Eine darüber hinausgehende Predigt ist in der Osternachtsfeier nicht erforderlich.
Auch ein Osterfeuer gibt es jedes Mal: im Freien, auf dem Platz zwischen Kirche und Gemeindehaus, mit diesem weiten Bick ins Land – vorausgesetzt die Witterung lässt das gefahrfrei zu.
Anschließend findet das liturgische Abendmahl des Gottesdienstes auf den reich gedeckten Osterfrühstückstischen im Gemeindehaus seine nicht nur symbolische, sondern dann auch real sättigende Fortsetzung.